Nach Angaben der WHO (Weltgesundheitsorganisation) sind Probiotika Mono- oder Mischkulturen von lebenden Mikroorganismen, die nach der Einnahme in ausreichenden Mengen positive auf die Gesundheit der Wirtszellen des Körpers wirken. Außerdem beeinflussen Probiotika das mikrobielle Gleichgewicht im Darm. Sie werden von orthomolekularen Therapeuten (Ernährungsberatern) regelmäßig nach Antibiotikabehandlungen oder zur Behandlung von Pilzinfektionen angewendet. Darüber hinaus gibt es viele Lebensmittel, denen Probiotika zugesetzt werden.
Weltweit werden unterschiedliche Stämme von Probiotika sowohl in Nahrungsergänzungsmitteln als auch in Lebensmitteln verwendet. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen jedoch, dass die meisten Stämme bei Raumtemperatur instabil sind. Sie werden daher gefriergetrocknet oder eingekapselt, um sie bei der Produktion, bei der Lagerung und bei der Berührung mit Magensäure und Gallensäften lebensfähig zu halten. Dies bedeutet, dass am Ende nur ein kleiner Prozentsatz der Probiotika für die Darmflora verfügbar bleibt. Bacillus coagulans ist jedoch eine bemerkenswerte Ausnahme. Dank der sporenbildenden Form überlebt dieser Mikroorganismus ohne spezielle Vorbehandlung die Reise bis in den Magen-Darm-Trakt.
Sporenbildende Probiotika wie Bacillus coagulans sind so stabil, dass sie die Wärme des Tablettierprozesses überstehen, was auf normale Probiotika nicht oder kaum zutrifft. Aus diesem Grund ist es nun möglich, Probiotika in (Kau-) Tablettenform herzustellen.
Die vom Bacillus coagulans abgeleiteten probiotischen Stämme sind grampositiv, sporenbildend und milchsäureproduzierend. Das Wort „Bazillus“ bedeutet auch „Stäbchen“. Bacillus coagulans wurde im Jahr 1932 erstmalig isoliert und durch Horowitz und Wlassowa beschrieben, die ihn ursprünglich als Lactobacillus sporogenes bezeichneten. Im Jahr 1957 fand in Anbetracht der biochemischen Eigenschaften eine Umbenennung statt. Die korrekte Bezeichnung lautet seitdem Bacillus coagulans und nicht Lactobacillus sporogenes, obwohl auch dieser Name immer noch gelegentlich verwendet wird.
B. coagulans zeichnet sich durch eine Reihe von einzigartigen Eigenschaften aus. Die Bakterien sind von einer sporenartigen Proteinhülle umgeben, die sie vor den Wirkungen saurer Magensäfte schützt. Dadurch gelangen sie in den Dünndarm, wo ihre Keimung, jedoch keine Besiedelung stattfindet. B. coagulans ist ein vorübergehender Darmbewohner, ein sogenannter Passant. Als Wachstumsmedium benötigt B. coagulans fermentierbare Kohlenhydrate und Proteine, die in der Nahrung enthalten sind.
In-vitro-Studien haben gezeigt, dass B. coagulans kurzkettige Fettsäuren, Bacteriocine und verwandte Substanzen bildet, die über die Darmschleimhaut/Darmepithelzellen als Nahrung aufgenommen werden. Bacteriocine sind zelleigene Proteine, die als antibakterielle Mittel gegen andere grampositive und gramnegative Bakterien wirken. In-vitro-Studien und andere Studien haben gezeigt, dass von B. coagulans abgeleitete probiotische Stämme Darmentzündungen entgegenwirken und das Immunsystem stärken. Außerdem wird die Bildung von reaktiven Sauerstoffteilchen gehemmt und die Phagocytose, der Prozess, mit dem eingedrungene schädliche Partikel vernichtet werden, stimuliert. Weiterhin liegen auch Hinweise darauf vor, dass B. coagulans gegen Pilze, Viren und Hefen wirkt.
Vorbeugung und Behandlung von Durchfall bei Reizdarmsyndrom
Das Reizdarmsyndrom, auch bekannt unter der englischen Abkürzung IBS (inflammatory bowel syndrome), ist eine chronische Erkrankung, bei der die Darmmotilität (Peristaltik) gestört ist. Typische Symptome sind Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall und/oder Verstopfung (Obstipation). Bekanntermaßen verbessern Probiotika die Darmflora und den Stuhlgang.
Zwei klinische Studien haben die Wirkung von probiotischen Stämmen von B. coagulans bei IBS untersucht. Dabei zeigte sich, dass B. coagulans wirksam zur Behandlung von IBS eingesetzt werden kann. Die Stuhlfrequenz bei Durchfall, Bauchschmerzen, Völlegefühl und Blähungen nahmen in diesen Studien bei den untersuchten Patienten ab.
Prävention und Behandlung von Durchfall bei Kindern
Untersuchungen, die in Indien an Neugeborenen mit akutem, durch Rotaviren verursachtem Durchfall durchgeführt wurden, haben gezeigt, dass B. coagulans die Anzahl der Durchfallzeiten verringern und außerdem die Dauer jeder Episode verkürzen kann. Zwei weitere Studien zeigen, dass B. coagulans keinen Einfluss auf nekrotisierende Enterocolitis, eine verbreitete Darmerkrankung bei Frühgeborenen, hat.
Flatulenz
Eine klinische Studie an 61 Erwachsenen hat gezeigt, dass sich Verdauungsbeschwerden wie zum Beispiel Magenschmerzen, Bauchschmerzen und Blähungen verbessern können, wenn täglich probiotische Kapseln mit B. coagulans eingenommen werden. Als mögliche Erklärung für den Wirkungsmechanismus wurde vorgeschlagen, dass Probiotika helfen, die Nahrung zu verdauen, weil sie Enzyme produzieren. Zusätzlich tragen sie zur Senkung des pH-Wertes bei. Aufgrund der besseren Verdauung werden die Bildung von Hefen im Darm und die damit einhergehende Bildung von Gas vermieden.
Lactoseintoleranz
Probiotische Stämme von B. coagulans produzieren unter anderem Lactase. Dieses Enzym hilft bei der Verdauung und der Aufspaltung des Milchzuckers Laktose.
Verbesserung des Serumlipidprofils und Cholesterinsenkung
B. coagulans übt eine positive Wirkung auf die Lipidprofil von Tieren und Menschen aus. Dies liegt wahrscheinlich daran, dass B. coagulans in der Lage ist, Cholesterin im Darm zu binden, und dass es möglicherweise die Aktivität des cholesterinbildenden Enzyms HMG-CoA-Reduktase hemmt.
Immunstärkung
Eine Untersuchung an 10 Patienten, die Erkältungen und Grippe verursachenden Viren ausgesetzt waren, zeigten, dass B. coagulans das Immunsystem stärkt. Zusätzlich trat über die Erhöhung des Zytokins TNF-α eine verbesserte zelluläre Immunantwort (T-Zell-Antwort) gegen Adenovirus und Influenza-A-Viren auf.
Mundgesundheit
Vaginalinfektionen
Frauen, bei denen häufig vaginale Infektionen auftreten, können von der Nutzung von Probiotika profitieren. Bei einer Studie nahmen 44 Frauen mit unspezifischer Vaginitis zweimal täglich Tabletten mit B. coagulans. Versuchspersonen mit Trichomonas oder Candida albicans wurden von der Studie ausgeschlossen. Am Ende der Studie berichteten die meisten Frauen, dass Juckreiz und Ausscheidungen zurückgegangen waren. Die vorteilhaften Wirkungen sind wahrscheinlich auf Veränderungen der vaginalen Azidität aufgrund der von B. coagulans gebildeten Milchsäure zurückzuführen. Postmenopausale Frauen reagierten zögernder auf die Behandlung, gaben jedoch auch an, dass sich die Symptome der Vaginitis verringerten.
Rheumatoide Arthritis
Aufgrund der immunmodulatorischen und antiinflammatorischen Wirkungen von B. coagulans und anderen milchsäurebildenden Bakterien erwarten einige Forscher vorteilhafte Wirkungen bei chronisch entzündlichen Erkrankungen wie Arthritis. Eine Pilotstudie an 44 erwachsenen Männern und Frauen mit der Autoimmunerkrankung rheumatoide Arthritis zeigt, dass B. coagulans zusätzlich zu herkömmlichen entzündungshemmenden Arzneimitteln wirksam eingesetzt werden kann. Bei den meisten Patienten nahmen Symptome wie Schmerzen und andere Einschränkungen des Befindens ab. In der Behandlungsgruppe verringerte sich darüber hinaus auch die Menge des C-reaktiven Proteins. Dies ist ein bekannter Entzündungsmarker.
Die allen klinischen Studien genannten Tagesdosen variieren zwischen 100 Millionen und 5 Milliarden koloniebildenden Einheiten (KbE). Es sei darauf hingewiesen, dass in manchen Studien proprietäre Stämme verwendet wurden. Im Hinblick auf den besten Einnahmezeitpunkt für sporenbildende Probiotika wie Bacillus coagulans besteht keine besondere Präferenz, da die Bakterien die Passage durch den Magen lebend überstehen und intakt in den Darm gelangen.