Parodontitis
Weltweit gehört Parodontitis zu den häufigsten mikrobiellen Krankheiten, deren Folgen sich nicht nur auf die Mundhöhle beschränken. Es handelt sich um eine multifaktorielle Erkrankung, die eine bakterielle Dysbiose zur ursächlichen Grundlage hat. In der Parodontologie und Implantologie beruht die Behandlung von Parodontitis zu einem erheblichen Teil darauf, dass die säurebildenden Pathogene im Zahnbelag unterdrückt und kolonisierungsresistent gemacht werden. Dadurch gehen zwar, oft in Kombination mit Antiseptika und/oder Antibiotika, die Paropathogene tatsächlich zurück, aber die Tatsache bleibt, dass die Reaktion auf diese Therapie oft unzureichend ist. Nach einiger Zeit ändert sich dann die Plaqueflora wieder hin zu ihrer ursprünglichen Zusammensetzung.
Dadurch, dass es immer häufiger zu bakteriellen Multiresistenzen kommt, wird es immer notwendiger, eine alternative Vorgehensweise zu finden. Verschiedene Studien belegen einen günstigen Effekt der Wiederbesiedlung der Mundflora mit den richtigen probiotischen Bakterien. In-vitro-Studien, Tierversuche und einige klinische Forschungsreihen mit Laktobazillen haben gezeigt, dass durch Interferenz, die eine direkte Hemmung von (potenziellen) Pathogenen einschließt, die Zusammensetzung der Plaqueflora sich verändert und in der Folge weniger Kariogene und Paropathogene enthält. Ebenso zeigt sich ein Rückgang der entzündungsfördernden Zytokine wie IL-1β, IL-6, IL-8, PGE2 und TNF-α, die an der Pathogenese von Parodontitis beteiligt sind.
Intestinale Permeabilität – CED, RDS und Nahrungsmittelallergien
Eine gute Gesundheit hängt zum großen Teil von einer gesunden Darmflora ab.
Da der Mund das Eintrittsportal zum gastrointestinalen System darstellt, wird durch das Herunterschlucken von Speichel (1-1,5 l/Tag) die Darmflora von der oralen Flora beeinflusst. So zeigen In-vitro-Versuche Veränderungen der Darmflora und der Durchlässigkeit des Darmepithels, z. B. durch P. gingivalis. Bei einer ungünstigen Mundflora gelangen ständig unerwünschte Bakterien in den Darmkanal. Wenn diese Situation über längere Zeit fortbesteht, kann die Barrierefunktion der Darmschleimhaut verschlechtert werden; letztendlich kann das mit schädlicher Wirkung zur Entstehung von u. a. chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED), Reizdarmsyndrom ( RDS) und (Nahrungsmittel-)Allergien beitragen.
Orale Laktobazillen können durch mikrobielle Intervention mit Paropathogenen und durch Verbesserung der Immunabwehr die Mundgesundheit fördern und damit korrigierend auf die Dysbiose der Darmflora einwirken. Die Wiederherstellung der Mundflora gehört daher auch zu den therapeutischen Möglichkeiten in der Behandlung von Darmerkrankungen. So hat sich in randomisierten Untersuchungen mit Kontrollgruppen gezeigt, dass bei CED, insbesondere bei Colitis ulcerosa, probiotische Bakterien die Entzündungssymptome hemmen und die Remissionsperioden verlängern. Laktobazillen haben außerdem besondere spezifische Eigenschaften, welche ergänzend zur Erholung des Darmsystems beitragen können.
Dabei ist zu denken an:
• Beträchtliche Förderung der Immuntoleranz, unter anderem durch Vermehrung der regulatorischen T-Zellen und des entzündungshemmenden Interleukin-10, jeweils durch L. plantarum und L. paracasei.
• Günstige Effekte durch L. rhamnosus in der Behandlung von Colitis ulcerosa und RDS.
• Antimikrobielle Homöostase im gesamten oro-gastrointestinalen System.
• Antagonistische Wirkung von L. fermentum auf pathogene Bakterien wie Listeria monocytogenes, Salmonella typhi, Salmonella enteriditis und bestimmte Stämme von Escherichia coli.
L. fermentum zeigt auch eine hohe β-Galactosidase-Aktivität und kann dadurch beim Aufheben von Laktose-Intoleranz eine Rolle spielen. Einer unlängst publizierten Meta-Analyse zufolge scheint L. fermentum bei Colitis ulcerosa und RDS gut einsetzbar zu sein.
Alzheimer-Krankheit
Möglicherweise kann Parodontitis, indem sie chronisch systemische Entzündungskrankheiten verursacht, zum Ausbruch der Alzheimer-Krankheit beitragen. Außerdem zeigen Tierversuche, dass Paropathogene das Hirn infiltrieren und dabei Nervenzellen schädigen können. In Hirnstudien post mortem, wobei die Gehirne von Demenzpatienten mit jenen von Kontrollpersonen verglichen wurden, fand sich im Hirn von Demenzpatienten das Bakterium P. gingivalis in erheblicher Konzentration. Unter anderem wies eine prospektive Kohortenstudie , bei der mehr als 1,000 Menschen 5 Jahre lang beobachtet wurden, auf einen signifikanten Zusammenhang zwischen Parodontitis und kognitivem Leistungsabfall hin. Es gibt immer mehr wissenschaftliche Hinweise darauf, dass schlechte Mundgesundheit und Parodontitis zur Entstehung der Alzheimer-Krankheit beitragen. Die Prävention von Entzündungsprozessen in der Mundhöhle durch Wiederansiedlung von effektiven Laktobazillen kann möglicherweise das Risiko einer Alzheimer-Erkrankung verringern.
Diabetes Typ II
Bei Diabetikern ist das Risiko, an (ernsthafter) Gingivitis und Parodontitis zu erkranken, offenbar erhöht – besonders bei instabilem Blutzuckerspiegel. Es deutet immer mehr darauf hin, dass auch umgekehrt ein Zusammenhang besteht zwischen Parodontitis und der Entstehung eines stark schwankenden Blutzuckerspiegels, vor allem bei Diabetes Typ II. Eine mögliche Erklärung, die dem zugrunde liegen könnte, ist die bei Parodontitis erhöhte Produktion von Zytokinen. Die Migration dieser entzündungsfördernden Zytokine in die Blutbahn kann zu einer erhöhten Konzentration von Entzündungsmarkern im Blut führen, was eine weniger gute Kontrolle des Diabetes zur Folge hat. In Tierversuchen hat sich gezeigt, dass die Verabreichung von P. gingivalis zu Insulin- und Glukoseintoleranz führt.
Obwohl nicht alle Forschungsergebnisse eindeutig sind, zeigen verschiedene Untersuchungen, dass eine parodontale Behandlung und eine gute Mundgesundheit eine senkende Wirkung auf die Entzündungsmarker und den Blutzuckerspiegel haben. Laktobazillen können sowohl durch ihre entzündungshemmende Wirkung als auch durch die Modulation der entzündungsfördernden und -hemmenden Zytokine und durch Verringerung der Anzahl von (paro)pathogenen Bakterien erheblich zur Prävention und Behandlung von Parodontitis bei Diabetikern beitragen. Außerdem haben Studien gezeigt, dass Laktobazillen die Glukosetoleranz und die Insulinempfindlichkeit erhöhen können. Im Rahmen einer multidisziplinären Herangehensweise kann der Einsatz der geeigneten Kombination von Laktobazillen der Förderung der Mundhygiene zusätzlich dienlich sein.
Herz- und Gefäßerkrankungen
In den letzten Jahren haben epidemiologische Untersuchungen immer mehr bestätigt, dass Parodontitis als unabhängiger Risikofaktor in der Entwicklung von kardiovaskulären Erkrankungen zu betrachten ist. Bakterien aus der Mundhöhle können Entzündungen anderswo im Körper ursächlich zugrunde liegen. Eine prospektive Studie bei 1.147 Männern mit Parodontitis hat ergeben, dass sie anderthalbmal so schnell Herz- und Gefäßerkrankungen entwickeln wie Personen ohne Parodontitis, und dass das Risiko für einen Schlaganfall 2,8-mal so groß ist. Außerdem findet sich bei Parodontitispatienten im Vergleich zu parodontal gesunden Personen mehr atherosklerotische Plaque.
Bei Herzinfarktpatienten trat das Bakterium P. gingivalis häufiger auf als bei Kontrollpersonen. Auch die In-vitro-Analyse zeigte, dass dieses Bakterium den atherosklerotischen Prozess beschleunigt. Paropathogene im systemischen Kreislauf spielen eine Rolle in der Pathogenese von Atherosklerose. Laktobazillen können durch verschiedene Mechanismen, zu denen die Unterdrückung von P. gingivalis und die Neuansiedlung der Mundflora gehören, die Mundgesundheit verbessern und damit dem Risiko systemischer Entzündungen als Folge von Parodontitis möglicherweise vorbeugen.
Halitosis
Ein häufig vorkommendes Problem ist Mundgeruch, der oft von schlechter Mundgesundheit herrührt. Für den Geruch sind flüchtige Schwefelverbindungen verantwortlich, die vor allem von gramnegativen Bakterien wie z. B. P. gingivalis und S. mutans produziert werden. Insbesondere L. salivarius sorgt für einen signifikanten Rückgang dieser Schwefelverbindungen und ist geeignet zur Behandlung von chronischem Mundgeruch. Auch L. rhamnosus und L. plantarum werden vielfach eingesetzt.
Bakterielle Multiresistenz
Schon seit Jahrzehnten werden (Mundhöhlen-)Infekte mit Antibiotika behandelt, aber dennoch stellen Infektionskrankheiten für die Weltgesundheit weiterhin ein großes Problem dar. Durch die zunehmende Gefahr, die von multiresistenten Bakterien ausgeht, entsteht notwendigerweise eine Verschiebung der Behandlungsstrategie in Richtung Probiotika. Bei der Prävention und Behandlung von Mundkrankheiten mit probiotischen Bakterien kann dadurch Terrain gewonnen werden in der Bekämpfung von Infektionskrankheiten allgemein.
Allgemeine Gesundheit
Epidemiologische Untersuchungen zeigen immer mehr, dass ein Zusammenhang besteht zwischen Mundkrankheiten und der allgemeinen Gesundheit. Die Translokation von Mikroorganismen aus dem Mund in den Blutkreislauf kann in der Ätiologie verschiedener systemischer Erkrankungen ein Faktor sein. Die Rolle von Laktobazillen zur Förderung der Mundgesundheit beschränkt sich daher auch nicht auf die oben genannten Indikationen. Die Kombination der in dieser Monografie aufgeführten Laktobazillen sorgt durch optimale Synergie für einzigartige Effekte in der Wiederherstellung der Mundflora und bietet durch verschiedene Wirkungsmechanismen eine breite Anwendbarkeit in der Prävention und Erhaltung der allgemeinen Gesundheit.