Grippe, Flavonoide und Darmflora

Sonntag 8-Oktober-2017

Wenn der Herbst kommt, steht auch die nächste Grippewelle wieder vor der Tür. Eine gute Prävention besteht aus einer gesunden, abwechslungsreichen Ernährung, ergänzt durch Nährstoffe wie Vitamin C und Bioflavonoide. Aber: Eine in der Fachzeitschrift Science veröffentlichte Studie zeigt, dass dazu zunächst einmal die Darmflora in Ordnung sein muss.

 

Bekanntlich helfen Darmbakterien nicht nur bei der Verdauung: Sie spielen auch eine unverzichtbare Rolle im Immunsystem. Eine neue, in der Fachzeitschrift Science veröffentlichte Studie zeigt nun, dass die Zusammensetzung der Darmflora essenziell für die vorteilhafte Wirkung von Flavonoiden bei Grippe ist [1].

 

Mikrobieller Mediator

Es war bereits bekannt, dass Flavonoide im Darm durch bakterielle Enzyme metabolisiert werden [2]. Auch wusste man bereits, dass die Fähigkeit, spezifische Flavonoide zu metabolisieren, von der Qualität der mikrobiellen Flora abhängt [3]. Die neue Studie zeigt jedoch darüber hinaus, dass Flavonoide dabei in jedem Fall auf einen wichtigen mikrobiellen Mediator angewiesen sind: Clostridium orbiscindens.

 

Im Rahmen ihrer Studie führten die Wissenschaftler ein Screening der menschlichen Darmflora durch und suchten dabei nach Bakterien, die spezifische Flavonoide metabolisieren.

 

„Das von uns gefundene Bakterium nutzt Flavonoide, um die Bildung von Interferon zu steigern. Interferon ist ein Signalmolekül, das eine wichtige Rolle bei der Immunantwort spielt. Diese Substanz verhinderte, dass Mäuse infolge von Grippe Lungenschädigungen erlitten. Derartige Schäden verursachen beim Menschen oft ernste Komplikationen, so zum Beispiel Lungenentzündung.“

 

Die eigentliche Grippeinfektion verlief dabei übrigens nicht schwächer, nur wurden weniger Schäden an der Lunge verursacht. Flavonoide erhöhen also die Widerstandskraft gegen solche Schäden, aber nur, wenn die Darmflora in Ordnung ist.

 

Die Bedeutung von Flavonoiden

Flavonoide sind eine Gruppe von sekundären Pflanzenstoffen, die als Pigmente zu den leuchtenden Farben vieler Früchte und Gemüse beitragen. Als Gruppe können sie in der Praxis unter anderem bei Immunschwäche, allergischen Erkrankungen und verschiedenen anderen Indikationen eingesetzt werden. Wird Vitamin C zusammen mit Bioflavonoiden, die zum natürlichen Kontext dieses Vitamins gehören, eingenommen, erhöht dies im Gegensatz zu synthetischen Varianten obendrein auch die Aufnehmbarkeit und Wirkung des Vitamins [4].

 

Übrigens ist die tägliche Einnahme von Vitamin C ungeachtet der regelmäßigen negativen Berichterstattung in den Medien durchaus zur Verhütung von Grippe zu empfehlen. In einer Studie an 168 Probanden zeigte sich, dass eine Supplementierung mit Vitamin C in der Tat einen Schutz gegen Grippe und Erkältung bietet [5]. Die Probanden, die Vitamin C einnahmen, hatten deutlich weniger unter Grippe und Erkältung zu leiden als die Probanden der Kontrollgruppe. Aber mit dem Supplementieren von Vitamin C allein ist es natürlich noch nicht getan.

 

Darmflora essenziell für starkes Immunsystem

Neben der Stärkung der Flavonoidwirkung erfüllt die Darmflora noch weitere wichtige Aufgaben. Auf der Grundlage wissenschaftlicher Studien lässt sich schlussfolgern, dass eine gute Darmflora bereits an sich gegen Grippe schützt. Eine umfassende Übersichtsstudie, die im Jahr 2015 in Annual Review of Virology veröffentlicht wurde, gelangt zu dem Schluss, dass kommensale Bakterien sowohl in den oberen Atemwegen als auch im Darm eine wichtige Rolle bei der Hemmung von Infektionen mit dem Grippevirus spielen könnten [6].

 

Aber nicht nur zur Prävention ist eine Stärkung der Darmflora erforderlich, sondern auch zur Nachsorge – das heißt, nach der Grippeerkrankung – muss die Darmflora wieder aufgebaut werden. Das Grippevirus und die Darmflora treten nämlich in eine wechselseitige Interaktion, wie eine in PLoS Pathology publizierte Studie zeigt [7]. Den beteiligten Forschern zufolge erweist sich die Darmflora dabei als Verlierer:

 

„Wir haben festgestellt, dass eine Grippeinfektion der Lunge die Darmflora signifikant verändern kann. Sie reduziert den Reichtum an Proteobakterien im Darm, was zu einer dysbiotischen Mikroumgebung führt.“

 

Ob vor oder nach einer Grippe: Keiner Ihrer Klienten sollte unter einer Dysbiose leiden! Führen Sie daher stets eine Darmbehandlung mit L-Glutamin, Pre- und Probiotika durch, vor allem im Herbst, wenn das menschliche Immunsystem besonders belastet ist.

 

Was können Sie sonst noch tun?

Fördern Sie eine gute Basisabwehrkraft. Dies erreichen Sie am besten, indem Sie Ihren Klienten zu einer möglichst ausgewogenen, natürlichen (biologischen) Ernährung wie zum Beispiel urzeitlicher Ernährung raten. Darin sind im Prinzip alle Flavonoide und anderen sekundären Pflanzenstoffe enthalten, die wir von Natur aus benötigen, um die Regenerationsfähigkeit des Körpers zu stärken. Außerdem sollten wir Substanzen, die unsere Gesundheit untergraben, meiden, wie zum Beispiel Zucker, Gluten und Phytinsäure aus Brot. Sind wir dann wirklich optimal geschützt?

 

Basissupplementierung

Die obige Empfehlung verliert ihren Nutzen teilweise dadurch, dass die heutige Obst- und Gemüsesorten nicht mehr die gleichen Mengen an Vitaminen, Mineralstoffen, Flavonoiden und anderen Nutrienten enthalten wie früher. Durch die intensive Landwirtschaft und den erhöhten CO2-Gehalt der Luft sind die Pflanzen vor allem kohlenhydratreicher geworden, weswegen man mehr davon verzehren muss, um den gleichen Nährstoffgehalt aufzunehmen.

 

Auch die zunehmende Auslaugung der Böden spielt eine Rolle:  Was nicht im Boden ist, kann auch nicht auf unseren Teller kommen. Gleichzeitig gilt: Je besser der Körper mit Nährstoffen versorgt ist, desto besser kann er einer Infektion widerstehen. Mit anderen Worten: Basissupplementierung ist selbst bei einer „vollwertigen“ Ernährung essenziell.

 

Heilpilze

In der Praxis können wir viel für das Immunsystem tun, zum Beispiel mit Beta-Glucanen aus Heilpilzen wie Shiitake, Austernpilz und Maitake. Beta-Glucane sind wichtige Nährstoffe für das Immunsystem und tragen zu einer guten Abwehrkraft gegen Infektionen bei. Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen, dass die synergistische Wirkung der Eigenkomponenten und auch eine Kombination aus Pilzextrakten bestimmende Faktoren für eine optimale therapeutische Wirkung sind.

 

Guter Schlaf und Stressabbau

Auch die Wichtigkeit guten Schlafes kann gar nicht überschätzt werden: Menschen mit Schlafmangel haben ein weniger effizientes Immunsystem und sind daher anfälliger für alle Arten von Infektionen, einschließlich des Grippevirus [8]. Schließlich ist Stressabbau für ein gutes Immunsystem unerlässlich, aber dies gilt natürlich für sehr viel mehr als nur für Grippe.

 

Vorbeugen, lindern und erholen

Vitamin C kann zur Grippeprävention eingesetzt werden, aber dann möglichst in Kombination mit Bioflavonoiden, um eine bessere Aufnahme zu gewährleisten. Und damit die Flavonoide ihre günstige Wirkung auch tatsächlich entfalten können, ist wiederum eine gute Darmflora essenziell. Das Vorbeugen und Lindern von Grippe und die anschließende Erholung beginnen stets im Darm. Aber es hört dort nicht auf: Schlaf, Bewegung, Ernährung, soziales Verhalten und die Entscheidungen, die wir treffen, sind alles Faktoren, die bestimmen, ob wir in diesem Herbst gesund bleiben oder an Grippe erkranken.

 

Mehr über eine gute Darmflora erfahren Sie in unserem Whitepaper „Gute Gesundheit beginnt im Darm“.

 

Literatur

[1] Ashley L. Steed, George P. Christophi, Gerard E. Kaiko, Lulu Sun, Victoria M. Goodwin, Umang Jain, Ekaterina Esaulova, Maxim N. Artyomov, David J. Morales, Michael J. Holtzman, Adrianus C. M. Boon, Deborah J. Lenschow, Thaddeus S. Stappenbeck. The microbial metabolite desaminotyrosine protects from influenza through type I interferon. Science, 2017; 357 (6350): 498

[2] Setchell KD, Brown NM, Lydeking-Olsen E. The clinical importance of the metabolite equol-a clue to the effectiveness of soy and its isoflavones. J Nutr. 2002;132(12):3577-84. GRATIS: http://jn.nutrition.org/cgi/content/full/132/12/3577

[3] Yuan JP, Wang JH, Liu X. Metabolism of dietary soy isoflavones to equol by human intestinal microflora--implications for health. Mol Nutr Food Res. 2007;51(7):765-81.

[4] http://naturafoundation.co.uk/monografie/Vitamine_C_als_ascorbaten.html

[5] Van Straten M, Josling P., Preventing the common cold with a vitamin C supplement: a double-blind, placebo-controlled survey, Adv Ther. 2002 May-Jun;19(3):151-9.

[6] Christopher M. Robinson and Julie K. Pfeiffer, Viruses and the Microbiota, Annu Rev Virol. 2014; 1: 55–69.

[7] Deriu E. et al., Influenza Virus Affects Intestinal Microbiota and Secondary Salmonella Infection in the Gut through Type I Interferons, PLoS Pathog. 2016 May; 12(5): e1005572.

[8] Spiegel K, Sheridan JF, Van Cauter E. Effect of sleep deprivation on response to immunization. JAMA. 2002;288(12):1471–1472.