Der Einfluss von Stress auf das ungeborene Kind

Mittwoch 31-Januar-2018

Eine aktuelle Studie an 151 schwangeren Frauen zeigt, dass sich Stress bei der Mutter prägend auf das Temperament und zukünftige Verhalten des Kindes auswirkt. Auffallend ist dabei jedoch, dass sich dies nicht in allen Fällen ungünstig für das Kind auswirken muss. Aber nur dann, wenn eine optimale Entwicklungsumgebung bereitgestellt wird.

 

Mehrere neuere Studien im zweiten Trimester der Schwangerschaft deuten auf Zusammenhänge zwischen Stress der Mutter und der Entwicklung des Nervensystems des heranreifenden Kindes hin. Wenn Embryo, Fötus und Neugeborenes während der prä- und perinatalen Entwicklung ungünstigen Umweltfaktoren wie maternalem Stress ausgesetzt sind, passen sie sich entsprechend an. Solche Anpassungen können zu dauerhaften Veränderungen der Struktur und Funktion von physiologischen Systemen des Neugeborenen führen, so zum Beispiel des zentralen und autonomen Nervensystems.

 

Kritische Lebensphase

Eine nordamerikanische Studie untersucht den Einfluss von maternalem Stress vor und unmittelbar nach der Geburt auf das Temperament, die Reaktivität und die Regulation des vegetativen Nervensystems des Neugeborenen. Das autonome Nervensystem spielt unter anderem eine Rolle bei der Regulierung von Stress, Verhalten und Emotionen. Hierzu wurden die Stressniveaus bei 151 Schwangeren aus der Kategorie untere und mittlere Einkommen gemessen und verglichen. Es ging in der Studie vor allem um belastende Lebensereignisse wie Krankheit, Beziehungsprobleme, Wohnungsprobleme oder rechtliche Probleme während der Schwangerschaft.

 

Die Forscher verfolgten die werdenden Mütter während und unmittelbar nach der Entbindung und untersuchten die Auswirkungen der berichteten Stressbelastung der Mutter auf ihr 6 Monate altes Kind. Während des Tests wurde unter anderem der Herzschlag der Säuglinge gemessen, während die Mütter angehalten wurden, sich ihrem Kind ausschließlich passiv zuzuwenden. Die Mütter wurden nach einer vorangehenden Spielphase gebeten, zwei Minuten lang nicht mit ihrem Kind zu sprechen und es auf keinen Fall zu berühren.

 

Die Kinder der 22 von 67 Müttern mit der höchsten Anzahl von Stressereignissen zeigten sich dabei um 22 Prozent „reaktiver“ als die Kinder von Müttern, die die geringste Anzahl von Stressereignissen berichtet hatten. Außerdem erholten sich diese Kinder weniger schnell vom Stressor und zeigten eine geringere Widerstandsfähigkeit.

 

Stress und reaktives Temperament

Eine erhöhte Reaktivität, unter anderem gemessen an Herzschlag und Atmung, wird seit vielen Jahren mit einer geschwächten parasympathischen Komponente des autonomen Nervensystems in Zusammenhang gebracht. Indem das parasympathische Nervensystem die Herzfrequenz senkt und die Verdauung anregt, sorgt es dafür, dass der Körper in einen Zustand der Ruhe und Erholung gelangen kann. Viele Entwicklungspsychologen glauben, dass hochreaktive Kinder, die unter stressreichen Bedingungen aufwuchsen, empfindlicher sind und ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Verhaltens- und Gesundheitsstörungen aufweisen. Probleme innerhalb der Familie und in der Schule sind nicht ungewöhnlich. Außerdem treten bei diesen Kindern häufiger Depressionen oder Angstgefühle auf.

 

Normales Verhalten in optimaler Umgebung

Kinder mit einem hochreaktiven Temperament, die in einer optimalen Umgebung aufwachsen, scheinen interessanterweise jedoch deutlich bessere soziale Fähigkeiten zu entwickeln.

In einer optimalen, möglichst frustrationsarmen Umgebung können Kinder trotz eines hohen reaktiven Temperaments und der damit verbundenen höheren Stressempfindlichkeit bessere soziale Fähigkeiten entwickeln, da ihre Stressbelastbarkeit nicht überbeansprucht wird. Außerdem kann nach Auffassung von Nicole Bush, Spezialistin für Psychiatrie und Entwicklungsmedizin an der Universität von Kalifornien in San Francisco (UCSF) eine hohe Reaktivität die Sensibilität für positive Beziehungen und Erfahrungen aus der Umwelt fördern.

 

Andere Faktoren

Ob und in welchem Umfang Kinder mit positiven Emotionen reagieren, kann anhand des sogenannten Surgency-Faktors angegeben werden. Dazu zählen auch Eigenschaften wie die Bereitschaft, sich der Außenwelt zuzuwenden und sich mit ihr zu beschäftigen sowie Lachen und Lächeln. Die Kinder von Müttern mit hohem Stressniveau schienen auch hierbei schlechter abzuschneiden als die Kinder von Müttern, die während und unmittelbar nach der Entbindung weniger Stress hatten. Ein niedriger Surgency-Faktor in Kombination mit einer schlechten Selbstregulation erhöht das Risiko, Depressionen, Angstzustände und Probleme beim sozialen Umgang zu entwickeln. Daher ist es unbedingt anzuraten, bei hochreaktiven Kindern besonders sorgfältig auf ein Umfeld mit optimalen Reizniveau zu achten.

 

Quelle

https://medicalxpress.com/news/2017-11-stress-pregnancy-linked-infant-nervous.html

Nicole R. Bush et al. Effects of pre- and postnatal maternal stress on infant temperament and autonomic nervous system reactivity and regulation in a diverse, low-income population, Development and Psychopathology (2017).