Darmbakterien bestimmen Nahrungsauswahl

Dienstag 20-Juni-2017

Eine bahnbrechende Studie zeigt, dass wir weniger Kontrolle darüber haben, was wir essen möchten, als wir vielleicht denken. Wer bestimmt, was auf den Tisch kommt? Darmbakterien scheinen hierbei eine bedeutsame Rolle zu spielen.

 

Neurowissenschaftler haben zum ersten Mal gezeigt, dass Darmbakterien mit dem Gehirn „besprechen“, was gegessen werden sollte. Die Studie wurde am 25. April dieses Jahres in PLOS Biology veröffentlicht. Die Forscher fanden zwei Arten von Darmbakterien, die bei Tieren einen direkten Einfluss auf den Nährstoffbedarf und die Auswahl von Nahrungsmitteln ausüben.

 

Wechselwirkung zwischen Nährstoffen und Mikrobiom

Immer deutlicher wird, dass die Interaktion von Nährstoffen mit dem Mikrobiom bedeutsame Folgen für unsere Gesundheit hat. Nehmen wir zum Beispiel L-Carnitin, das früher manchmal mit Herzproblemen in Zusammenhang gebracht wurde. In Wirklichkeit ist es nicht das L-Carnitin, das die Probleme verursacht, sondern die Darmflora: Bestimmte schädliche Darmbakterien wandeln das aus rotem Fleisch stammende L-Carnitin in die schädliche Substanz Trimethylamin (TMAO) um. Gibt es auch nützliche Wechselwirkungen?

 

Sicher: Die gesunden Eigenschaften von Kakao beispielsweise, scheinen sich nicht nur in der Kakaobohne zu befinden. Kakao wird unter anderem durch Bifidum in entzündungshemmende Polyphenole mit einer positiven Wirkung auf die Gesundheit des Herzens fermentiert. Den Wissenschaftlern zufolge lässt sich diese Fermentation noch weiter stimulieren, indem man dazu ein wenig Obst isst. Aber können die Darmbakterien auch selbst mitteilen, welche Nährstoffe sie benötigen? Der in PLOS Biology erschienenen Studie zufolge schon.

 

Erhöhter Proteinbedarf

Experimente zeigen, dass ein Mangel an bestimmten Aminosäuren bei Fruchtfliegen zu einer schlechteren Fruchtbarkeit und einem erhöhten Bedarf an proteinreichen Nahrungsmitteln führt. Dabei spielte es keine Rolle, welche Aminosäure weggelassen wurde. Anschließend testeten die Forscher die Wirkung des Weglassens bestimmter Proteine auf fünf verschiedene Arten von Bakterien, die in Fruchtfliegen, die in der freien Natur leben, anzutreffen sind.

 

Es schien zwei Arten von Darmbakterien zu geben, die in der Lage waren, den erhöhten Bedarf an Proteinen bei den Fruchtfliegen wieder zu verkleinern. Diese Anpassung des Mikrobioms sorgt möglicherweise dafür, dass die Fruchtfliegen unter ungünstigen Bedingungen besser überleben können.

 

Mit dem Gehirn „sprechen“

Zuerst glaubten die Forscher, dass die Bakterien die Fruchtfliegen mit zusätzlichen Aminosäuren versorgten. Aber dies bestätigte sich in den Experimenten nicht. „Die Darmbakterien schienen eine Veränderung im Stoffwechsel zu verursachen, die sich direkt auf das Gehirn und den Körper auswirkt. Dadurch glaubt das Gehirn, dass wieder genügend Proteine zur Verfügung stehen“, erklären die Forscher.

 

Der genaue Wirkmechanismus ist noch nicht geklärt. Diese spezifischen Darmbakterien kommen auch beim Menschen vor, jedoch besitzt der Mensch einen viel größeren Artenreichtum. Die Studie zeigt in jedem Fall, dass die Darmflora einen noch stärkeren Einfluss auf unser körperliches und geistiges Befinden ausübt, als wir bereits wussten.

 

Literatur

  1. Amar Sarkar et al, Psychobiotics and the Manipulation of Bacteria–Gut–Brain Signals, Trends in Neurosciences (2016)
  2. https://www.acs.org/content/acs/en/pressroom/newsreleases/2014/march/the-precise-reason-for-the-health-benefits-of-dark-chocolate-mystery-solved.html
  3. Koeth R.A. et al., Intestinal microbiota metabolism of l-carnitine, a nutrient in red meat, promotes atherosclerosis, Nature Medicine 19, 576–585 (2013).
  4. Leitão-Gonçalves R, Carvalho-Santos Z, Francisco AP, Fioreze GT, Anjos M, Baltazar C, et al. (2017) Commensal bacteria and essential amino acids control food choice behavior and reproduction. PLoS Biol 15(4): e2000862
  5. Seiler S.E. et al., Carnitine Acetyltransferase Mitigates Metabolic Inertia and Muscle Fatigue during Exercise, Cell Metabolism, Volume 22, Issue 1, pp. 65-76, 7 July 2015.
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  7. Wei-Kai Wua, b, Suraphan Panyoda, Chi-Tang Hoc, Ching-Hua Kuod, Ming-Shiang Wub, Lee-Yan Sheena, Dietary allicin reduces transformation of L-carnitine to TMAO through impact on gut microbiota, Journal of Functional Foods, Volume 15, May 2015, Pages 408–417.