Eisenmangel präzise interpretieren

Freitag 2-Juni-2017

Die Diagnostik von Eisenmangel ist nicht immer einfach: Die Symptome sind oft unspezifisch und außerdem gibt es unterschiedliche Formen. Auch Entzündungen können das Bild verfälschen. Dieser Artikel soll Ihnen dabei helfen, eine präzise Diagnose zu stellen.

 

Die Eisenresorption ist ein subtiler Prozess und wird von vielen Faktoren beeinflusst. Eisen wird in der Regel nur in sehr kleinen Mengen mit der Nahrung aufgenommen. Darüber hinaus liegt bei vielen Menschen eine tendenziell zu geringe Eisenaufnahme vor. Daher tritt Eisenmangel recht häufig auf. Aber wen trifft er am häufigsten?

 

Hauptrisikogruppen sind Kinder in der Wachstumsphase, schwangere oder menstruierende Frauen oder Patienten nach Operationen mit Blutverlust. Aufgrund der schlechten Resorption und Aufnahme sind außerdem auch Vegetarier und ältere Menschen einem besonders hohen Risiko für Eisenmangel ausgesetzt. Die ersten Symptome sind Schwäche, Müdigkeit und verringerte Ausdauer. Das sind allerdings vage und unspezifische Symptome, die sich oft nur schwer auf ein klar umrissenes Krankheitsbild zurückführen lassen. Um einen Eisenmangel mit hoher Treffsicherheit zu bestätigen oder ausschließen zu können, muss man zunächst einmal genau wissen, was Eisenmangel ist.

 

Unkomplizierter Eisenmangel

Es gibt zwei Arten von Eisenmangel: unkomplizierter und komplizierter Eisenmangel. Der unkomplizierte Eisenmangel ist die häufigste Form und tritt infolge von Blutverlust oder zu geringer Aufnahme von Eisen über die Nahrung auf. Dieser Prozess verläuft über mehrere Stadien.

 

Zunächst werden die im Körper gespeicherten Eisenvorräte allmählich verbraucht. In diesem Stadium spricht man von einem prälatenten Eisenmangel. Im nächsten Stadium – dem latenten Eisenmangel – tritt noch keine Anämie auf. Jedoch sinkt der Plasmaspiegel an Eisen immer weiter, während die Bildung von Transferrin beständig zunimmt. Erst danach tritt Eisenmangelanämie auf. In diesem Stadium kann aus der Nahrung nicht mehr genügend Eisen aufgenommen werden, um eine ausreichende Hämoglobinbildung aufrechtzuerhalten.

 

Unkomplizierter Eisenmangel kann auf verschiedene Arten entstehen. Blutverlust ist dabei die wichtigste Ursache, vor allem bei Frauen in der Zeit zwischen der ersten Menstruation und den Wechseljahren. In den Niederlanden tritt relativ häufig auch durch Ernährungsdefizite verursachter Eisenmangel auf, insbesondere bei Vegetariern und älteren Menschen.

 

Komplizierter Eisenmangel

Neben der unkomplizierten Form gibt es auch einen komplizierten Eisenmangel. Hierbei ist der Transport von Eisen im Körper oder dessen Aufnahme aus den Makrophagen gestört. Die Diagnose ist schwierig, weil dies nicht immer aus den Blutwerten ersichtlich ist. Es kann sogar sein, dass die Makrophagen zu viel Eisen enthalten, während es dem Körper anderswo fehlt. Man spricht dann von einem relativen oder funktionellen Eisenmangel.

 

Eine solche komplizierte Eisenmangelanämie ist recht verbreitet und tritt in der Regel als Folge eines entzündlichen Prozesses, einer akuten oder chronischen Infektion oder einer Autoimmunerkrankung wie rheumatoider Arthritis auf. Es ist wichtig, sorgfältig zwischen diesen beiden Formen zu unterscheiden, da Eisensupplementierung bei der einen Form durchaus und bei der anderen ganz und gar nicht indiziert ist.

 

Diagnose von Eisenmangel

Anhand einer sorgfältigen Anamnese und körperlichen Untersuchung müssen wir zunächst mögliche Ursachen eines Blutverlustes oder einer Ernährungsstörung aufspüren. Aber auch die Labordiagnostik ist ein unentbehrliches Hilfsmittel, um zu bestimmen, welche Form vorliegt, wie gravierend die Störung ist und wodurch sie verursacht wird. Typischerweise beklagen sich die Erkrankten zunächst über Müdigkeit oder es wurden beispielsweise ein zu niedriger Hb-Spiegel oder andere relevante anormale Blutwerte festgestellt. Hier einige Referenzwerte für solche Bestimmungen.

 

 

Männer                   

Frauen

Eisen                            

14-35 µmol/l             

10-25 µmol/l

Hämoglobin (Hb)         

8,5-11,0 mmol/l        

7,5-10 mmol/l

Ferritin                         

25-250 µg/l               

20-150 µg/l (nach den Wechseljahren bis zu 250 µg/l)

Transferrin                   

2,0-4,1 g/l                  

2,0-4,1 g/l

Sättigung (TIJBC)         

27-54 µmol/l             

27-54 µmol/l

 

Im Folgenden wollen wir diese verschiedenen Eisenwerte weitergehend erläutern.

 

Transferrin

Transferrin transportiert Eisen durch den Körper und spielt eine Rolle bei der Immunabwehr von Infektionen, indem es dem Stoffwechsel von Mikroorganismen Eisen entzieht. Die Bestimmung der Serumtransferrinkonzentration erlaubt nicht nur eine Beurteilung des Ernährungsstatus, sondern auch eine Bewertung des Eisenstatus. Die Transferrinkonzentration im Serum ist bei pathologischer Eisenüberladung, gestörter Proteinproduktion und Proteinverlust verringert. Ein erhöhter Wert tritt bei Eisenmangel auf. Eine isolierte Transferrinbestimmung liefert jedoch nur unvollständige Informationen. Zumindest ist eine zusätzliche Bestimmung des Serumeisens erforderlich.

 

Ferritin

Eine verringerte Ferritinkonzentration bedeutet immer, dass die Eisenreserven erschöpft sind. Eine Abnahme dieser Konzentration geht einem Absinken des Eisengehaltes voraus und ist mit einer Erhöhung des Serumspiegels an Transferrin verbunden. Ab diesem Moment sprechen wir von einem latenten Eisenmangel. Sinkt auch der Hb-Wert, dann liegt bereits ein manifester Eisenmangel vor. Bei einem verringerten Serumferritinspiegel steht die Diagnose Eisenmangel daher auf jeden Fall fest. Aber Vorsicht: Auch wenn der Serumferritinspiegel normal oder gar erhöht ist, kann Eisenmangel nicht vollkommen ausgeschlossen werden. Es können Entzündungen oder oxidative Schäden an Geweben vorliegen, die ebenfalls die Eisenwerte beeinflussen. Entzündungen können mit einem hs-CRP-Test gemessen werden.

 

Serumeisenkonzentration und Eisenbindungskapazität

Die Serumeisenkonzentration fluktuiert unter dem Einfluss von Infektionen, Entzündungen, oxidativer Schädigung und weiteren Faktoren. Eine einmalige Bestimmung des Eisengehalts sagt daher nur wenig über den tatsächlichen Gehalt im Blut aus. Eine Lösung hierfür besteht darin, den Blutspiegel von Eisen mit der Gesamteisenbindungskapazität (TIJBC) zu kombinieren. Dies ist ein konstanter Wert, der nur geringfügigen Schwankungen unterliegt.

 

Die Serumeisenkonzentration ist sowohl bei Eisenmangel als auch bei Entzündungsanämie gering. Wie lässt sich nun beides voneinander unterscheiden? Betrachtet man die TIJBC, dann zeigt sich, dass sie sich bei Eisenmangel erhöht und bei Entzündungsanämie verringert. Auch Transferrin kann hier mehr Klarheit bringen: Bei Eisenmangel bildet die Leber mehr Transferrin, was ebenfalls zu einer höheren TIJBC führt. Bei Infektionen nimmt die Transferrinbildung ab und die TIJBC sinkt.

 

Behandeln oder überweisen?

Wenn man zum Schluss gelangt, dass ein unkomplizierter Eisenmangel vorliegt, muss die Ursache gefunden werden. Zwischenzeitlich kann man bereits die Eisenmangelanämie durch Supplementierung mit Häm-Eisen beheben. Eine Entzündungsanämie wird nicht mit Eisen behandelt. Je nach der zugrundeliegenden Erkrankung kann dies sogar schädlich sein, weil Eisen als Prooxidans wirkt. Stattdessen muss weiter nach der zugrundeliegenden Erkrankung gesucht werden. Wenn eine eindeutige Diagnosestellung nicht möglich ist, und vor allem beim Feststellen einer Eisenüberladung, ist eine Überweisung indiziert.

 

Literatur

H.J.M. van Rijn, E.K.A. Winckers, H.G. van Eijk en J.J.M. Marx , IJzergebrek, een eenvoudige diagnose? Nederlands Tijdschrift voor Geneeskunde, 11-03-1993

http://www.irondisorders.org/anemia-of-chronic-disease

http://www.naturafoundation.nl/monografie/IJzer.html