Siebenmal Magnesium fürs Gehirn

Montag 19-Dezember-2016

Siebenmal Magnesium fürs Gehirn
Aufgrund des Allgemeincharakters von Symptomen wie Müdigkeit und Muskelkrämpfen bleibt Magnesiummangel oft unbemerkt. Der Wissenschaftler Jeroen de Baaij weist nach, dass dies bei manchen Patienten zu psychischen Beeinträchtigungen führen kann. Daher ist frühe Intervention von entscheidender Bedeutung. 

 

Jeroen de Baaij ist ein Wissenschaftler, von dem man sicherlich noch mehr hören wird. Zurzeit arbeitet er in der Abteilung für Physiologie des medizinischen Zentrums der Radboud Universität Nijmegen. Auf der Grundlage seines umfassenden Übersichtsartikel Magnesium in man: implications for health and disease stellen wir im Folgenden sieben Anwendungen von Magnesium im Bereich des Gehirnstoffwechsels vor. Um Baaijs Entdeckung zu verstehen, müssen wir uns jedoch zunächst einmal anschauen, was ein NMDA-Rezeptor überhaupt ist. 

 

Was ist ein NMDA-Rezeptor?

NMDA-Rezeptoren sind im Gehirn befindliche Rezeptoren, die unter anderem essenziell für die Nervenübertragung und Neuroplastizität sind und daher eine wichtige Rolle bei der Gehirnentwicklung, Lernkapazität und für das Gedächtnis spielen. Magnesium erfüllt eine wichtige Funktion für die Sensitivität dieser NMDA-Rezeptoren. Wenn ein Mangel an Magnesium auftritt, können sie nicht richtig funktionieren. Niedrige Serummagnesiumspiegel stehen daher im Zusammenhang mit einer ganzen Reihe von neurologischen Erkrankungen wie zum Beispiel Migräne, Depression und Epilepsie.

 

1. Migräne

Migräne hängt mit einem verringerten Gehalt an Magnesium in der Hirnflüssigkeit zusammen. Migränekopfschmerz ist die Folge einer Cortical Spreading Depression (CSD). Diese CSD kann durch Aktivierung des NMDA-Rezeptors ausgelöst werden. Das ist der Grund dafür, dass Patienten mit erhöhter Reizbarkeit der Nerven anfälliger für Migräneattacken sind. In den letzten Jahrzehnten wurden mehrere doppelblinde, placebo-kontrollierte RCTs durchgeführt, die zeigen, dass durch orale Supplementierung mit Magnesium die Anzahl der Migräneattacken und die Schmerzintensität abnehmen können.

 

2. Depressionen

Mehrere Forscher kommen zu dem Schluss, dass Magnesium Depressionen durch Blockierung des NMDA-Rezeptors lindern kann. Der NMDA-Rezeptor spielt nämlich eine wichtige ursächliche Rolle bei der Pathologie der Depression. Baaij zufolge müssen großangelegte Studien folgen, um unser Wissen über die Bedeutung von Magnesium zur Prävention und Behandlung von Depression zu vertiefen.

 

3. Epilepsie

Viele Studien zeigen, dass bei Epilepsiepatienten verringerte Magnesiumblutspiegel auftreten. Der Zusammenhang zwischen dem Magnesiumstatus und der Entwicklung von Anfällen kann durch die Rolle des Magnesiums bei der Blockade des NMDA-Rezeptors erklärt werden. Leider fehlen bislang großangelegte RCTs, was dem allgemeinen Einsatz von Magnesium als Antiepileptikum vorerst noch im Wege steht.

 

4. Hirnblutungen

Hirnblutungen und -infarkte stellen häufige Todesursachen in industrialisierten Ländern dar. Auch hier wurde ein Zusammenhang mit einem verringerten Magnesiumstatus gefunden. Dieser Zusammenhang kann auf verschiedene Weise erklärt werden. Ein niedriger Magnesiumstatus erhöht die Aktivität des NMDA-Rezeptors und sorgt dadurch für eine erhöhte Zufuhr von Calcium und Glutamat. Dies kann die bei Schlaganfällen auftretenden Nervenschäden erklären.

 

5. Traumatische Hirnschäden

Bei Patienten mit traumatischen Hirnschäden und Rückenmarksverletzungen wird häufig ein Magnesiummangel festgestellt. Geringe Mengen an Magnesium in der Hirn-Rückenmarks-Flüssigkeit führen zu einer Erhöhung des oxidativen Stresses und der Fettsäure-Peroxidation, welche beide zur Schwere des Schadens beitragen. In einer kleinen Studie an 30 Patienten mit traumatischen Hirnverletzungen zeigte sich, dass durch Magnesiumsupplementierung bessere Ergebnisse auf der Glasgow Outcome Scale (GOS) zu erzielt werden konnten.  Diese Skala liefert ein objektives Maß für den Grad der Erholung nach einem Hirntrauma.

 

6. Parkinson

Parkinsonpatienten zeigen verringerte Konzentrationen von Magnesium im Cortex, der weißen Substanz, den Basalganglien und im Hirnstamm. Bei Tieren wurde nachgewiesen, dass eine chronisch verringerte Zufuhr von Magnesium zu einem signifikanten Verlust von dopaminergen Neuronen führt. Auch Parkinson ist durch den Verlust von dopaminergen Neuronen gekennzeichnet. Diese und andere Studien könnten darauf hindeuten, dass eine Supplementierung mit Magnesium von Vorteil für Parkinsonpatienten ist.

 

7. Andere Erkrankungen

Niedrige Konzentrationen von Serummagnesium werden mit einem breiten Spektrum von neurologischen Erkrankungen einschließlich Schizophrenie, manischer Depression, Neurose, Suchtanfälligkeit, Stress und Alzheimer-Krankheit in Zusammenhang gebracht. Dies deutet darauf hin, dass Magnesiummangel eine wichtige Rolle bei der Ätiologie dieser Krankheiten spielt. Allerdings ist diese Studie nur epidemiologisch. Zurzeit werden noch keine klinischen Studien durchgeführt, um die Wirkung von Magnesium auf diese Erkrankungen zu untersuchen.

 

 

Jeroen de Baaij

Jeroen de Baaij (1987) erwarb zunächst einen Bachelor-Abschluss in (Medizinischer) Biologie in Nijmegen. Anschließend absolvierte er den Master-Studiengang in Integrativer Biologie an der Université Pierre et Marie Curie in Paris, Frankreich. Im Jahr 2010 erwarb er an derselben Universität seinen Master-Abschluss cum laude. Die hier vorgestellte Studie führte er am RIMLS-Forschungsinstitut der Abteilung für Physiologie des medizinischen Zentrums der Radboud University Nijmegen durch.

 

Literatur

Jeroen H. F. de Baaij, Joost G. J. Hoenderop, René J. M. Bindels, Magnesium in Man: Implications for Health and Disease, Physiological Reviews  Published 1 January 2015  Vol. 95  no.  1.

radboudumc.nl/Research/Scienceagenda/Pages/Magnesiumtekortenbetrokkenbijdiabetesenmentaleretardatie.aspx