Die Cholesterinhypothese besagt, dass ein Zusammenhang zwischen erhöhten Cholesterinwerten und dem Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen besteht. Daher sollte die Lebenserwartung bei den Betroffenen im Allgemeinen verringert sein. Diese Vorstellung bildet wiederum die Grundlage für den Einsatz von Statinen, mit denen der Cholesterinspiegel gesenkt werden soll, um die Lebenserwartung zu erhöhen.
Durch Zusammenfassen mehrerer Studien zu LDL-Cholesterin und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wurde eine Studienpopulation von 68.000 Menschen ab 60 Jahren erzielt. Nach Angaben der Forscher gilt für alle Studien, dass, obwohl kein Zusammenhang zwischen LDL-Cholesterin und Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei älteren Menschen festgestellt werden konnte, sehr wohl ein umgekehrt proportionaler Zusammenhang vorlag. „Das bedeutet, dass erhöhte LDL-Cholesterinwerte häufig mit einer höheren Lebenserwartung zusammenfallen“, erklären die Forscher.
Frühere Untersuchungen haben den Forschern zufolge bereits nachgewiesen, dass hohe Cholesterinwerte häufig mit einer geringeren Prävalenz von neurologischen Erkrankungen wie Parkinson und Alzheimer zusammenfallen. Weiterhin liegen Studien vor, deren Ergebnisse nahelegen, dass LDL-Cholesterin gegen Krebs und Infektionskrankheiten schützen könnte und ein niedriger LDL-Wert die Anfälligkeit gegenüber diesen Krankheiten sogar erhöht.
Die Forscher setzen ein großes Fragezeichen hinter die Verwendung von Statinen. In früheren Untersuchungen hatten sie bereits nachgewiesen, dass die Wirksamkeit von Statinen in Studien häufig übertrieben wird.
„Unsere Ergebnisse widerlegen die Cholesterinhypothese. Die Hypothese besagt, dass ein erhöhter LDL-Cholesterinspiegel rund um das vierzigste Lebensjahr Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursacht, die sich mit dem Alter verschlimmern, was schließlich zum Tod durch diese Herz-Kreislauf-Erkrankungen führt. Diese Tendenz konnten wir nicht feststellen.
Wenn sich LDL-Cholesterin im Laufe des Lebens an den Gefäßwänden ablagert und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursacht, stellt sich die Frage, warum ältere Menschen mit höheren LDL-Cholesterinwerten dann trotzdem länger leben? Und wenn Menschen über 60 mit hohen LDL-Cholesterinwerten am längsten leben: Warum sollten wir diese Werte dann mit Statinen senken?“
Die Verwendung von Statinen ist weitverbreitet, obwohl sie durchaus auch gravierende Nachteile mit sich bringt. So erhöhen bestimmte Statine zum Beispiel das Diabetesrisiko. Wenn die Cholesterinhypothese wegfällt, ist der Einsatz von Statinen nicht mehr medizinisch gerechtfertigt. Vor allem, da es sich nun herausstellt, dass ältere Menschen mit hohem LDL-Cholesterin sogar länger leben.
Lesen Sie auch: Statine erhöhen Diabetesrisiko
Uffe Ravnskov, David M Diamond, Rokura Hama, Tomohito Hamazaki, Björn Hammarskjöld, Niamh Hynes, Malcolm Kendrick, Peter H Langsjoen, Aseem Malhotra, Luca Mascitelli, Kilmer S McCully, Yoichi Ogushi, Harumi Okuyama, Paul J Rosch, Tore Schersten, Sherif Sultan, Ralf Sundberg, Lack of an association or an inverse association between low-density-lipoprotein cholesterol and mortality in the elderly: a systematic review, BMJ Open 2016;6:e010401