Artikel: Wer krank ist, sollte zu Hause bleiben

Montag 11-Januar-2016

Grippe kann den Terminkalender ganz schön in Bedrängnis bringen. Da ist es verlockend, ein Mittelchen einzunehmen. Damit verstoßen wir aber gegen Millionen von Jahren der Evolution, behaupten zwei Wissenschaftler in der Zeitschrift PLOS Biology.

 

André Frankhuizen

Viele Menschen meinen, dass das Grippevirus selbst für die nur allzu bekannten Symptome verantwortlich ist. In der Wirklichkeit spielt jedoch unser Körper dabei eine wichtige Rolle. Denn das Immunsystem und das Nervensystem tun noch sehr viel mehr, als nur einen Angriff auf die unwillkommenen Eindringlinge zu starten. Sie verursachen auch das typische Krankheitsverhalten wie Müdigkeit, Schwäche, Niedergeschlagenheit und den Drang, sich zurückzuziehen.

 

Krankheitsverhalten tritt in allen Bereichen des Tierreichs auf. Die extremste Form ist bei sozialen Insekten wie Bienen anzutreffen. Wenn ihre Gesundheit nachlässt, verlassen sie ihr Volk für immer, um woanders zu sterben. Ein etwas humaneres Verhalten finden wir bei Zebrafinken und Affen. Wie Menschen können sie ihr Kranksein verbergen – wir, wenn wir arbeiten müssen – sie, wenn sich eine Chance zur Fortpflanzung bietet.

 

Die Forscher weisen anhand vieler vergleichbarer Beispiele nach, dass Krankheitsverhalten bereits seit Millionen von Jahren besteht und somit einen Vorteil darstellt. Aber wie erhöhen die Symptome von Grippe unsere Überlebenschance? Seit wann gehen Libido und eine laufende Nase Hand in Hand? 

 

„Krankheitsverhalten erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass unsere Gene weitergegeben werden. Selbst, wenn der Einzelne nicht überlebt, sorgt die Absonderung vom sozialen Umfeld dafür, dass sich eine Infektion weniger schnell ausbreitet. Absonderung ist der effizienteste Weg, um die Ausbreitung übertragbarer Krankheiten zu verhindern“, erklären die Forscher.

 

Um ihre Hypothese zu untermauern, veröffentlichten die Wissenschaftler eine Liste von Symptomen, die die Überlebenschance unseres „egoistischen Genoms“ erhöhen. Mangelnder Appetit stellt sicher, dass wir unsere gemeinsamen Nahrungs- und Wasserquellen nicht mit Krankheitserregern verunreinigen. Müdigkeit und Schwäche verringern unsere Mobilität, wodurch der Infektionsradius abnimmt. Depressionen und Libidoverlust sorgen dafür, dass wir (intimen) menschlichen Kontakt vermeiden, sodass die Übertragung ansteckender Krankheiten vermieden wird. 

 

Zudem trägt Bettruhe zu einer schnelleren Genesung bei. Tun wir das nicht, müssen wir einen hohen Preis dafür bezahlen: Menschen, die regelmäßig krank zur Arbeit gehen, tragen ein um 74 % erhöhtes Risiko, früher oder später einmal richtig krank zu werden und zwei Monate lang zu Hause herumzusitzen, als Menschen, die sich richtig auskurieren. Auch kann eine Low-grade-Entzündung zurückbleiben. Wenn Sie sich also ein oder zweimal im Jahr schnell und richtig auskurieren, vermeiden Sie unerwünschte Komplikationen und stärken sogar Ihr Immunsystem. Warum halten wir uns trotzdem nicht daran? 

 

Dafür gibt es mehrere Erklärungen: Die Wissenschaftler gelangen zu dem Schluss, dass wir ganz einfach vergessen haben, wie tödlich und ansteckend Grippeinfektionen sein können, während eine Studie zur Arbeitnehmergesundheit zeigt, dass viele glauben, am Arbeitsplatz unersetzlich zu sein. Möglicherweise wirken beide Faktoren zusammen. Auf jeden Fall hoffen die Forscher, dass ihre Botschaft verstanden wird: Wer krank ist, sollte zu Hause bleiben. Daran hat sich in den letzten Millionen von Jahren nichts geändert.

Literatur

  1. Lopes PC., When is it socially acceptable to feel sick?, Proc Biol Sci. 2014 Aug 7;281(1788):20140218
  2. Shakhar K, Shakhar G., Why Do We Feel Sick When Infected--Can Altruism Play a Role? PLoS Biol. 2015 Oct 16;13(10):e1002276.
  3. http://phys.org/news/2014-06-animals-conceal-sickness-symptoms-social.html
  4. http://phys.org/news/2016-01-symptoms-evolution-home.html
  5. http://www.gezondheidsnet.nl/stress-en-burn-out/niet-uitzieken-leidt-tot-meer-ziekte
  6. https://www.personeelsnet.nl/bericht/verzuim-daalt-maar-meer-mensen-ziek-naar-het-werk/